Das Tor zur Freiheit - Ein Museum für das Lager Friedland

Laudatio von Heinz Peter Lohse zum 2. Preis an Ute Andres

2015 02 07 Alexanderpreis 20Ja - das ist neu: Erstmals hat die Alexanderstiftung auch Radiobeiträge zum Wettbewerb zugelassen. Diese mussten als Manuskript eingereicht werden. Sie wurden mit denselben Kriterien bewertet wie die in einer
Zeitung oder Zeitschrift veröffentlichten Beiträge.

Der Radiobeitrag von Ute Andres mit dem Titel „Das Tor zur Freiheit - Ein Museum für das Lager Friedland““ wurde im September 2014 im Deutschlandradio Kultur gesendet. Es geht darin um das geplante Museum für das Lager Friedland. In Interviews werden die Geschichte und die Gegenwart des Grenzdurchgangslagers lebendig.

Ich zitiere hier aus der Ansage des Senders zu dem Beitrag. Dort hieß es:

Das Grenzdurchgangslager Friedland hat eine bewegte und bewegende Geschichte. 1945 wurde es von der britischen Besatzungsmacht eingerichtet, um deutsche Evakuierte und Flüchtlinge aufzunehmen, zu betreuen und durchzuschleusen. Eigentlich nur einen Tag sollten sie im Durchgangslager bleiben. Die letzten deutschen Heimkehrer aus Kriegsgefangenschaft kamen übrigens 1956 nach Friedland.

Seit seiner Gründung kamen in 70 Jahren mehr als 4,5 Millionen Menschen durch das Lager im Dreiländereck Hessen, Thüringen und Niedersachsen.

Nach den Kriegsheimkehrern und Flüchtlingen aus den früheren Ostgebieten waren es Spätaussiedler, Ungarnflüchtlinge, Boatpeople aus Vietnam und Verfolgte aus Chile. Albanien oder dem Irak. Jetzt sind es Flüchtlinge aus Eritrea, Afghanistan oder Syrien.

2015 02 07 Alexanderpreis 21Heute wie damals kommen die Menschen mit wenig Gepäck aber mit großen Hoffnungen auf eine gute Zukunft nach Friedland. Diese Hoffnung verbindet die Lebensgeschichten, egal ob sie 1945 oder im Jahr 2014 spielen. Diesen Geschichten und der Geschichte Friedlands will das Land Niedersachsen ein Museum widmen. Im September diesen Jahres, zum 70. Jahrestag des Grenzdurchgangslagers, soll es eröffnet werden.

Frau Andres spannt in ihrem Beitrag den Bogen von den Nachkriegsjahren, der Anfangszeit des Durchgangslagers, bis zur Aufnahmestelle der Gegenwart. Über mehrere Monate hat sie Zeitzeugen interviewt und mit Flüchtlingen in der  Aufnahmestelle gesprochen. Sie schildert Schicksale der Menschen in Friedland. Kriegsheimkehrer, Zeitzeugen, die heute älter als 80 oder 90 Jahre sind, erinnern sich an ihre Ankunft. Ebenso Aussiedler oder politische Flüchtlinge oder die Kriegsflüchtlinge heute. Sie lässt Mitarbeiter zu Wort kommen und die Museumsmacher erzählen, wie das Museum einmal aussehen soll:

Einerseits ein Ort mit einer Dauerausstellung, die die wechselhafte Geschichte Friedlands zeigt. Den Anfang als Durchgangslager mit Baracken und Nissenhütten bis zur Aufnahmestelle heute mit halbjährigen Integrationskursen. Diese  Ausstellung soll im historischen Bahnhof des Lagers Friedland gezeigt werden.

Andererseits auch ein Ort der Begegnung, an dem gelernt wird, und an dem man sich mit Themen wie Flucht und Vertreibung, Migration und Integration, auseinandersetzt und wo über Flüchtlingspolitik debattiert wird.

Anschaulich schildert Frau Andres das Zeitzeugenprojekt. Bei diesem Projekt fährt ein Team, bestehend aus Historikern, Kameraleuten, Aufnahmetechnikern, mit einem mobilen Aufnahmestudio in einem Bus durch das Land und  spricht mit Zeitzeugen. Deren Geschichten werden aufgezeichnet und für die Nachwelt gesichert. Diese Geschichten über sehr persönliche Schicksale werden Bestandteil des Museum Friedland.

Der Beitrag von Frau Andres überzeugt durch eine fundierte, breit angelegte Recherche. Interessant und unterhaltend wird er durch den ständigen Wechsel zwischen wörtlicher Rede und der Schilderung von Fakten. Wenn Zeitzeugen  erzählen oder Interviewpartner sich zu den Museumsplänen äußern, dann spielt das Radio seine Stärke aus. Das sind die Passagen, die im Radiobeitrag viel besser vermittelt werden.
Oder wenn die Friedland-Glocke läutet.

Immer dann, wenn Zeitzeugen sich erinnern, geht der Beitrag unter die Haut. Insofern war der Hinweis der Autorin an die Jury - einen Radiobeitrag sollte man hören - sehr berechtigt und nützlich. Die sogenannten O-Töne - die Stimmen  der Ankömmlinge in Friedland, der Klang der Glocke - das lässt niemanden unberührt.

Ute Andres hat mit ihrem Beitrag nicht nur ein aktuelles Museumsprojekt in der Nähe Göttingens vorgestellt. Sie zeigt auch, dass Vertreibung und Flucht - oder wie es im Motto der Dauerausstellung des Museums heißen soll:  Abschied, Ankunft, Neubeginn - ein Dauerthema sind. Friedland und das Museum stehen für eine riesengroße gesellschaftliche Aufgabe.

Der Beitrag von Frau Andres, „Das Tor zu Freiheit - Ein Museum für das Lager Friedland“, wird darum mit dem 2. Preis gewürdigt.