Ora et labora – Laborarzt Helmut Wagner

Laudatio von Claudia Weitemeyer für die Preisträgerin Anja Danisewitsch

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

Alexanderpreis2019 77erfolgreiches Unternehmertum braucht Visionäre. Und Südniedersachsen hat viele dieser klugen und ambitionierten Köpfe hervorgebracht. Denken Sie beispielsweise an Florenz Sartorius, an Wilhelm Lambrecht, Carl Mahr oder August Eisenacher, um nur einige wenige zu nennen. Sie alle eint, etwas verändern, etwas bewegen zu wollen. Sie haben mit ihrer Energie, mit ihrer Vision Menschen inspiriert, begeistert mitgerissen. Ihre Namen sind mindestens seit Jahrzehnten, einige sogar seit Jahrhunderten untrennbar mit Göttingen verbunden. Sie haben den Wirtschaftsstandort und die Region geprägt und gestärkt. Und das über Regional-, Bundesland-, Landes- und zum Teil sogar Kontinentgrenzen hinaus.

Einer dieser Visionäre ist Dr. Dr. Helmut Wagner. Heute über 70 Jahre alt, ist auch er seit über drei Jahrzehnten einer von Göttingens unternehmerischen Leuchttürmen. Einer von denjenigen, der, wie er selber sagt „nicht nur reden, sondern für die
Menschen etwas Konkretes tun wollte.“ Ungewöhnlich an ihm ist die Kombination des ehrgeizigen Unternehmers mit der Haltung eines überzeugten Christen und Marxisten. Der Erfolg gibt ihm recht! Seine Werte und Prinzipien, die ihn bis heute tragen, haben ihm nicht nur dabei geholfen, ein europaweites Firmenimperium aufzubauen, das in der Branche seinesgleichen sucht. Sie haben viele Menschen in seinem Umfeld inspiriert und motiviert. Haben berufliche Wegbegleiter zur Hochform auflaufen lassen, denn wer Wagner soziale Kompetenz und Leistungsbereitschaft zeigt, dem eröffnet er ungeahnte Entwicklungschancen.

Der studierte Biochemiker und promovierte Molekularbiologe Wagner beginnt sein berufliches Wirken am Max-Planck-Institut, setzt während dieser Zeit so ganz nebenbei noch ein Medizinstudium drauf. Er sucht nach einer Dienstleistungsnische im medizinisch-diagnostischen Sektor, die es so noch nicht gibt und findet sie. 1987 eröffnet er gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau Jutta und 25 Medizinisch-technischen Assistentinnen seine erste Laborarztpraxis in der Göttinger Werner-von- Siemens-Straße. Wagner sieht sich als „Dienstleister im zweiten Glied“.

Seine Vision: ein bundesweites Labornetzwerk, eine sogenannte überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft, für das Angebot effizienter und kostengünstiger Labordienstleistungen für Patienten, niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser. Im Jahr 2000 kommt Wagner seinem Ziel ein großes Stück näher. Mit seinem ehemaligen Mitstreiter aus gemeinsamen Uni-Labor-Zeiten in Göttingen, Dr. Werner Stibbe, gründet er das interdisziplinäre diagnostische Kompetenznetz wagner- stibbe. Das Erfolgsmodell der beiden Geschäftspartner: Die Nutzung standortübergreifender Synergien mit dem Fokus einzelner Laboratorien auf spezialisierte Analyseverfahren bis hin zur diagnostischen Beurteilung durch erfahrene Labormediziner. Mit dieser Idee entsteht die amedes group – das heute größte deutsche Labornetzwerk mit mehr als 60 medizinischen Laboren und Praxen sowie 40 Kliniklaboren in Deutschland und Belgien, mit 3.500 MitarbeiternInnen, darunter 350 Ärzten und Wissenschaftlern. In Göttingen ist Wagner mit vier Praxen etabliert, davon zwei klinischen Laborzentren am Weender Krankenhaus und an der Universitätsmedizin. Allein an diesen Standorten werden fast täglich bis zu 15.000 Proben untersucht, bundesweit sind es mehr als 150.000. amedes ist damit der größte medizinische Labordienstleister in Göttingen und Umgebung.

Als unsere heutige Preisträgerin Ende 2017 vom faktor-Magazin mit dem Porträt dieses Ausnahmeunternehmers beauftragt wird, sieht sich die „Ideenübersetzerin“ und „Geschichtenerzählerin“, wie sich Anja Danisewitsch selbst gern bezeichnet, schnell in ihrem Element. Was die Journalistin offensichtlich beeindruckt, sind die humanistisch geprägte Lebenseinstellung des Familienmenschen Wagner, sein Glaube an Werte und Prinzipien wie Ehrlichkeit, Transparenz und Zuverlässigkeit. Mit seinen MitarbeiterInnen, oder besser, mit seinen Mitmenschen, lebt er bis heute den Grundsatz des Vertrauensvorschusses und das trotz mancher Enttäuschung. 

Wagner selbst sagt dazu: „Denn da ist immer auch die Hoffnung auf eine positive Resonanz und da ist die Liebe, die Zuwendung zu den Menschen. Und die Gesamt-Lebensbilanz meiner Erfahrungen damit ist absolut positiv!“

Und genau hier ist Anja Danisewitsch in ihrem Element. Nämlich immer dann, wenn es um den Menschen hinter einem Unternehmen geht. Die nicht selten sehr persönliche und berührende Geschichte eines Visionärs, der seinen Traum lebt. Seit 2012 schreibt die studierte Germanistin als freie Autorin, seit über zwei Jahren unter anderem für das faktor-Magazin. Aufmerksam wurde man auf Sie durch ein Porträt in einem Unternehmerbuch, dass sie über eine Freundin verfasst hatte. Ihr Schreibstil begeisterte, überzeugte sofort. Auf das Freelancer-Angebot für den faktor reagierte Danisewitsch zunächst eher skeptisch. „Ich glaube, ich kann das nicht.“ Aus Sicht der Journalistin haben ihre Geschichten ganz viel mit der Chemie zwischen Menschen zu tun, mit einer großen Portion Vertrauen und mit Respekt dem anderen gegenüber. Denn Danisewitsch erfährt von ihren Protagonisten oft auch sehr Persönliches. „Da muss ich gut filtern und möchte selbst entscheiden, was ich davon wirklich preisgeben sollte.“

Mit ihrer ersten Einschätzung lag sie allerdings völlig falsch. Allein im letzten Jahr veröffentlichte der faktor drei weitere ihrer Stories, die der Jury ebenfalls als Einreichung vorlagen und durch eine ähnliche redaktionelle und stilistische Qualität überzeugten. Da erzählt Danisewitsch die Geschichte vom „Getriebenen Geist – Georg Rosentreter“, der als Hotelier von Einbeck bis Göttingen mit den Freigeist-Häusern eine neue Generation Hotelspirits und Gastlichkeit in unsere Region bringt. Sie traf die US-Amerikanerin Nina Holland, die, angespornt durch ihr langjähriges Idol und Mentor Gerhard Steidl, ihren Traum einer eigenen kleinen Verlagsmanufaktur für Kunstbücher lebt. Und sie lernte Achim Lenz kennen, den schweizer Intendanten der Gandersheimer Domfestspiele, der sich auf die Fahne schreibt, Menschen zu emotionalisieren, Theater erlebbar zu machen. Und der sich in das deutsche Publikum verliebte.

Danisewitsch ist davon überzeugt, dass gute Texte Klarheit brauchen, eine Botschaft und etwas mehr, als nur eine Prise vom Leben. Die wichtigste Zutat für ihr journalistisches Rezept ist allerdings etwas anderes: es ist das Zuhören. Sie hat auch schon mal einen Auftrag abgelehnt und begründet es damit: „Ich glaube bei meiner Arbeit an das Prinzip der Resonanz. Ich assimiliere das Gehörte und verwandle es dann in meine Story. Und das kann ich nur, wenn ich mich auf den Menschen, auf seine Geschichte wirklich einlassen kann. Eben wenn die Chemie stimmt.“ Die Chemie zwischen Anja Danisewitsch und Helmut Wagner stimmt im Übrigen so gut, dass der Unternehmer die Journalistin aktuell mit dem Verfassen seiner Memoiren betraut hat. Freuen wir uns also auf ein Buch über einen besonderen Menschen, verfasst von einer besonderen Autorin. Ich bin mir sicher, es wird ein Fest!

Meine Damen und Herren, die AlexanderStiftung fördert mit ihrem Preis herausragende journalistische Arbeit. Anja Danisewitsch erhielt für eine ihrer Arbeiten bereits 2018 den ersten Preis der Stiftung. Und auch im letzten Jahr hat sie mit ihren Veröffentlichungen mehrfach bewiesen, dass sie nicht nur ihr Handwerk versteht, sondern es mit einem hohen Anspruch an Ethik, Moral und Respekt vor den Menschen ausfüllt. Die AlexanderStiftung verleiht deshalb der Journalistin Anja Danisewitsch den zweiten Alexanderpreis 2019 für ihr Porträt „Ora et labora“ über den Unternehmensgründer und Laborarzt Dr. Dr. Helmut Wagner.

Herzlichen Glückwunsch!