Immer wieder findet er ausgefallene Themen, gräbt abenteuerlich anmutende Geschichten aus, arbeitet sich mit bewundernswertem Spürsinn in verborgene Winkel vor. Seine Beiträge sind informativ, kundig, erhellend - aber auch spannend und amüsant. Klaus Herrmann ist eben ein Journalist der alten Schule, einer, der sich Zeit fürs sorgfältige Recherchieren nimmt, daneben aber auch noch eine Menge Lust am Entdecken ungewöhnlicher Begebenheiten hat. Für den Alexanderpreis 2010 hat er den Bericht über eine recht rätselhafte Geschichte eingereicht. Der Ort des Geschehens: die Kapelle von Wasserburg und Schloss Westerburg in Sachsen-Anhalt. Das Corpus delicti: ein gebratener Hund.

Schon seit 1681 ziert ein kleines Ölgemälde den Altar der barocken Schlosskapelle. In all den Jahrhunderten, berichtet Herrmann, hätten Tausende von Menschen das Gotteshaus besucht, ohne sich an dem Bild zu stören. Ehen seien vor dem Kunstwerk geschlossen und Kinder getauft worden. Experten der Denkmalpflege, die das Bauwerk und seine Ausstattung immer wieder einmal unter die Lupe genommen hatten, sei der ungewöhnliche Mittelpunkt des Altarbildes ebenso wenig aufgefallen wie dem heutigen Eigentümer.

Erst im Jahr 2000 entdeckte der aus Würzburg angereiste Restaurator das delikate Detail. Auf dem Teller vor Jesus Christus, der hier inmitten seiner Jünger beim gemeinsamen Abendmahl abgebildet ist, liegt eindeutig ein gebratener Hund.

Klaus Herrmanns umfangreiche Recherchen führen den Leser zurück in die Vergangenheit bis zur Weihe der Kapelle. Schon damals muss sich der Auftraggeber des Ölgemäldes, Henning Adolph von Steinberg, bewusst gewesen sein, dass da kein Lamm auf dem Teller lag. Er kannte das Werk nämlich sehr genau, weil er den bis heute unbekannten Maler dazu bewogen hatte, sich selbst und seinen Sohn in die Reihen der Apostel einzufügen. Warum, so die berechtigte Frage, hatte er nicht auf eine Änderung oder Übermalung bestanden? Hatte er den Hund sogar gewollt? Sicher ist nur, dass zur damaligen Zeit Jagdhunde die ständigen Begleiter der landadligen waren. Vielleicht, so vermutet der heutige Herr von Schloss Westerburg, habe der Auftraggeber zeigen wollen, dass er für seinen Glauben und seine Frömmigkeit sogar ein ihm nahe stehendes Wesen opfern würde.

Eine andere Erklärung wäre, dass es sich bei dem Maler um einen Künstler gehandelt habe, der einfach nicht malen konnte. Doch das, so der Autor, müsse angesichts der guten handwerklichen Qualität, die die Abendmahlsszene im allgemeinen widerspiegele, verneint werden. Eher liege dann schon die Vermutung nahe, dem Burgherrn sei das Geld ausgegangen und der gebratene Hund die Rache für nicht gezahlte Löhne. Beweise dafür gibt's natürlich nicht. Auch nicht für die These, dass Ehefrau Katharina den Hund in Auftrag gegeben hätte, um ihrem Mann und seiner Leidenschaft für Jagdhunde einen Denkzettel zu verpassen.

Der Preisträger wägt die kühnen Spekulationen sorgfältig gegeneinander ab. Er studiert die Geschichte und Entwicklung von Kirchengemälden, sichtet alte Dokumente und durchforstet die Archive. Er findet zahlreiche Beispiele dafür, dass die Darstellung von Hunden auf Bildern in Gotteshäusern früher keine Seltenheit war. Vierbeiner durften immer wieder einmal auf der Leinwand umhertollen, bei niederländischen Künstlern sogar das Bein heben. Doch sie alle waren lebendig.

Einen toten und dann auch noch gebratenen Hund hat Herrmann trotz seiner gründlichen Nachforschungen nirgendwo entdecken können.

Für seinen höchst interessanten Beitrag über das kleine Altarbild in der Kapelle von Schloss Westerburg hat die Jury Klaus Herrmann den 2. Preis zuerkannt. Ganz im Sinne Wolfgang Alexanders habe er ein bisher übersehenes und in Vergessenheit geratenes Thema aufgespürt und die Ergebnisse seiner umfassenden Recherchen mit leichter Hand und in flüssigem Schreibstil präsentiert.